Orpheus in der Unterwelt

Originaltitel Orphée aux Enfers // Opéra bouffon // Text von Hector Crémieux und Ludovic Halévy // in deutscher Sprache

Früher war alles besser! Das mythologische Paar Orpheus und Eurydike gilt als Musterexemplar ehelicher Liebe und Treue. Bis in den Tod folgte er ihr, erweichte mit seinen musikalischen Klagen sogar die Götter und hätte Eurydike so beinahe retten können. Als er aber verzweifelt allein ins Leben zurückkehren musste, schwor er allen Frauen ab. Treue über das Grab hinaus. Soweit die Legende. Jacques Offenbach entwickelte in seinem 1858 uraufgeführten Orpheus in der Unterwelt eine alternative Erzählung, die einen satirischen Blick gleichermaßen auf den Mythos wie auf die zeitgenössische Gesellschaft warf. Keineswegs herrscht eitel Sonnenschein in der Beziehung des Musiklehrers Orpheus und seiner Gattin. Er betrügt sie, sie betrügt ihn. Aber trennen kann man sich nicht. Wie sähe das denn aus?! Als Eurydikes Geliebter, der Todesgott Pluto, sie in die Unterwelt entführt, sind dementsprechend alle glücklich. Eurydike gefällt es überaus, vom Tod geküsst zu werden, und Orpheus fühlt sich endlich einmal frei. Wäre da nicht die öffentliche Meinung, die Orpheus dazu zwingt, seine Frau von den Göttern zurückzufordern. Nur allzu gern nutzen die gelangweilten Götter diesen Anlass zu einem Betriebsausflug in die Hölle, um sich an diesem reizvoll verrufenen Ort selbst ein Bild der Lage zu machen. Wer würde sich schon die Chance auf einen heißen Höllen-Cancan entgehen lassen?! Früher war alles besser? Offenbach räumt mit diesem und anderen Mythen gründlich auf. Ob Medienherrschaft, bürgerliche Doppelmoral oder hierarchische Strukturen – damals wie heute bietet Orpheus in der Unterwelt zahlreiche Gelegenheiten, gesellschaftliche Enwicklungen persiflierend aufs Korn zu nehmen. Pünktlich zu Offenbachs 200. Geburtstag im Juni 2019 stellt sich sein beliebtestes Werk der öffentlichen Meinung in Bielefeld.

 

Ort: 
Stadttheater
Euridike fällt zurück in die Unterwelt. Von Enrico Scuri